Schillers Machtspiel

2. Mai 2025

Der Kampf um Legitimität und Herrschaft

Im Rahmen des Deutschunterrichts haben wir uns mit dem 1800 erschienenen Drama ‘Maria Stuart’ von Friedrich Schiller auseinandergesetzt. Dabei handelt es sich um ein von der Realität nur an wenigen Stellen abgeändertes Trauerspiel. Es geht um den Konflikt zwischen Maria, die rechtmässig Anspruch auf den königlichen Thron hätte, und Elisabeth, die aktuelle Königin Englands, die aber ein uneheliches Kind (Bastard) ist.

Ein Element, das sich in Schillers Dramen immer wieder finden lässt, ist die Macht. Damit wir uns klarer bewusst wurden, was Macht ist und welche Arten davon es gibt, haben wir uns zu Beginn dieses Themas genauer damit befasst. Dabei haben wir gelernt, dass sie darauf gründet, dass eine Person in der Lage ist, Sachen in die Wege zu leiten, die sich auf eine zweite Person auswirken. Erst sobald die mächtige Person diese Fähigkeit nicht mehr hat oder die andere Person dieses Verhältnis kündet und die Konsequenzen in Kauf nimmt, endet diese Macht. Eine solche Fähigkeit kann unterschiedlicher Natur sein. Deshalb unterscheiden wir z.B. zwischen Macht durch Wissen, durch Erfahrung, sowie zwischenmenschlicher und institutioneller Macht. In ‘Maria Stuart’ dreht sich der Grundkonflikt jedoch vor allem um sogenannte Königsmacht. Dabei zeigt uns Schiller auf, wie anziehend Macht ist. Das tut er, indem er Maria eine Wirkung verleiht, womit sie ungewollt Männer anzieht. Diese Männer sehen in ihr ihre eigene Chance auf Macht, die sie erlangen könnten, würden sie Maria befreien und danach heiraten. Zudem wird auch die Bedeutung des Volks im Zusammenhang mit der Macht des Staatsoberhauptes thematisiert. Elisabeth ist nämlich populär im Volk. Sie denkt, dass der Grund dafür sei, dass sie bis jetzt immer gerecht gehandelt habe. Zu Beginn des Dramas befindet sie sich jedoch in einem Dilemma. Sie selbst ist nämlich gegen die Vollstreckung des Todesurteils Marias, das Volk jedoch dafür. Im weiteren Verlauf der Geschichte kommt es dann zu einem Treffen der beiden Damen, wo Maria Elisabeth ohne Rücksicht auf ihr eigenes Schicksal entgegentritt. Daraufhin verändert sich Elisabeths Einstellung und sie unterschreibt das Todesurteil, gibt jedoch ihrem Staatssekretär keine klare Antwort auf die Frage, was nun mit dem Blutbefehl geschehen solle. Daraufhin wird der Befehl ausgeführt.


Die drei Säulen der Macht

Dass Elisabeth keine klare Antwort gibt, hat einen guten Grund. Das sieht man auch daran, dass sie sich weigert, sich auf Nachfrage zu wiederholen: «Ich hab’s gesagt, und quält mich nun nicht weiter.» (S. 128). Projiziert man nämlich das Modell einer Studie, die sich mit der Macht autokratischer Regime auseinandersetzt, auf Elisabeths Situation, wird klar, dass eine klare Antwort, egal welche, ihre Macht direkt gefährden würde. Dieses Modell basiert auf drei Säulen: Legitimation, Repression und Kooptation. Solange diese im Gleichgewicht sind, ist die Macht eines Regimes gesichert. Legitimation ist dabei die Grundlage, worauf sich ein Herrscher*in beruft, um regieren zu dürfen. Repression ist das offene oder verdeckte Vorgehen gegen politische Gegner. Bei der Kooptation beteiligen sich Menschen am Regime und profitieren davon.

Symbolbild: Symbolisiert die königliche Macht in 'Maria Stuart' und die drei Säulen auf denen sie aufgebaut ist. Foto: Fabian Rütschi (05.05.2025)

Die Säule der Legitimation in Elisabeths Situation wird durch ihre Ausrufung als Königin durch den Accession Council getragen. Diese Säule bildet jedoch eine gewisse Angriffsfläche. Elisabeth besitzt zwar Gene aus der royalen Familie, wurde aber als Bastard geboren. Laut konventioneller Nachfolgeregelung hätte sie somit keinen Anspruch auf den Thron. Ein noch wichtigerer Teil dieser Säule bildet die Volkspopularität und Akzeptanz, die sie sich durch ihr gerechtes Handeln erarbeitet hat. Würde sie sich aber nun dem Volkswillen widersetzen, würde sie dadurch das Gleichgewicht der drei Säulen gefährden.
Bei der Säule Repression gibt es zwei Möglichkeiten: leichte und harte. Bisher basierte die Repression Elisabeths lediglich auf leichter, sprich keine klare Gewalt sondern andere Methoden, um Feinde zum Schweigen zu bringen. Wenn Elisabeth nun aber die Hinrichtung von Maria in Auftrag gibt, würde sich das ändern und somit das Gleichgewicht der Säulen gefährden. Das ist auch gut erkennbar durch Elisabeths Befürchtung, dass sich das Volk in der Zukunft, auch wenn es sie momentan zur Hinrichtung Marias drängt, an ihr rächen wird. Das sieht man beispielsweise anhand dieses Zitates von Schrewsbury gut: «Denn dich umgibt nicht mehr die herrliche Gerechtigkeit, die alle Herzen dir Besiegte! Furcht, die schreckliche Begleitung Der Tyrannei, wird schaudernd vor dir herziehn» (S. 122).
Die letzte Säule dieses Models bildet die Kooptation. In ‘Maria Stuart’ ist diese durch den Adel vertreten. Also beispielsweise durch den Grafen von Leicester, von Schrewsbury oder durch den Baron von Burleigh, diese haben allesamt durch ihre Beteiligung und Nähe zur Königin Privilegien, die dem einfachen Fussvolk verwehrt bleiben. Leicester spielt jedoch ein doppeltes Spiel, da er sich durch Marias Befreiung noch mehr Vorzüge unter ihrer Herrschaft erhofft, also noch mehr durch Kooptation unter Maria profitieren könnte.

Abschliessend lässt sich sagen, dass beide Optionen, die auf dem Tisch liegen, die drei Machtsäulen ins Ungleichgewicht stürzen würden. Trotzdem schafft es Elisabeth schlussendlich, einen Weg zu finden, der Verantwortung aus dem Weg zu gehen.


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